Wir sprechen mit Matthias Schug, Projektleiter bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO), der seine Erfahrungen mit der digitalen Begleitung der wirkungsorientierten Evaluation im Rahmen der DigiTeilhabe-Initiative teilt. Diese Initiative zielt darauf ab, die digitale Welt vielfältiger, sozialer und barrierearmer zu gestalten, um die Bedingungen für eine inklusive Gesellschaft zu verbessern.
Matthias zeigt eine einzigartige Perspektive auf den Wandel von einer output-orientierten Denkweise hin zu einer tiefergehenden Betrachtung der langfristigen Auswirkungen. Er hebt die Vorteile datengestützter Erkenntnisse hervor und erläutert, wie diese entscheidend dazu beitragen können, wichtige Entscheidungen zu treffen und die Kommunikation bei sozialen Initiativen zu verbessern.
Matthias, kannst du zunächst das Konzept der digitalen Teilhabe näher erläutern?
Digitale Teilhabe bedeutet, sicherzustellen, dass alle Menschen, insbesondere jene, die benachteiligt oder marginalisiert sind, Zugang zu Informationen und Kommunikationstechnologien haben und die notwendigen Fähigkeiten erwerben, um diese zu nutzen. Es geht über die bloße Bereitstellung von Technologie hinaus. Es geht darum, Menschen zu unterstützen, aktiv am digitalen Leben teilzunehmen und dieses mitzugestalten. Praktisch bedeutet das, digitale Fähigkeiten zu vermitteln, Geräte und Internetzugang bereitzustellen und Initiativen zu fördern, die digitale Kreativität und Engagement unterstützen. Letztlich zielt digitale Teilhabe darauf ab, dass jede*r die Möglichkeit hat, vom digitalen Bereich zu profitieren und dazu beizutragen.
Welche Bedeutung hat digitale Teilhabe für die umfassendere Mission der AWO?
Für die AWO, einer der größten Wohlfahrtsverbände in Deutschland, ist digitale Teilhabe ein wachsendes Anliegen. Wir unterstützen vulnerable Gruppen, darunter ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, bedürftige Kinder und Personen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Da immer mehr Dienstleistungen online stattfinden, verschärft das Fehlen digitaler Teilhabe viele bestehende soziale Probleme. Ein Beispiel ist der Mangel an einer E-Mail-Adresse. Es mag wie ein kleines Detail erscheinen, aber es kann dazu führen, dass Menschen viele, wenn nicht sogar die meisten, wichtigen Dienstleistungen und Chancen nicht nutzen können. Als Interessenvertretung für vulnerable Zielgruppen setzen wir uns auch politisch für digitale Teilhabe ein.
Kannst du das Wesen und die Hauptziele des DigiTeilhabe-Projekts beschreiben?
Digitale Teilhabe ist zu einer Voraussetzung für umfassendere soziale Inklusion geworden, aber nicht jede*r hat gleichermaßen von der digitalen Transformation profitiert. Dies gilt besonders für Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die von Armut betroffen sind. Unser fünfjähriges Pilotprojekt, finanziert von der Aktion Mensch Stiftung, testet Werkzeuge und Methoden, um die Barrieren für diese Gruppen zu senken, damit sie die digitale Welt betreten und darin navigieren können.
„Digitale Teilhabe geht über die bloße Bereitstellung von Technologie hinaus; es geht darum, Menschen zu unterstützen, aktiv am digitalen Leben teilzunehmen und es mitzugestalten.“
Derzeit unterstützen wir digitale Fähigkeiten und Chancen auf zwei wesentliche Arten: Wir schulen Ehrenamtliche, um digitale Fähigkeiten auf zugängliche und niedrigschwellige Weise zu vermitteln, einschließlich der Einrichtung von offenen Räumen oder Cafés, in denen Personen Unterstützung und Anleitung ohne Einschüchterung erhalten können. Außerdem konzentrieren wir uns auch darauf, Menschen mit Behinderungen zu Multiplikator*innen digitaler Fähigkeiten in ihren Gemeinschaften auszubilden, um soziale Inklusion und Peer-to-Peer-Unterstützung zu fördern.
Erzähl uns von deiner ersten Wahrnehmung der Wirkungsorientierung.
Ich leite seit vielen Jahren Projekte, aber der Fokus auf Wirkungsorientierung war für mich relativ neu. Bis vor kurzem schien die Mentalität im sozialen Sektor in Deutschland stark output-orientiert zu sein; das heißt, es wurde darauf geachtet, wie viele Veranstaltungen durchgeführt wurden und wie viele Teilnehmer*innen erreicht wurden. Aber in letzter Zeit gibt es eine zunehmende Betonung auf Wirkungsorientierung, um Ergebnisse über oberflächliche Kennzahlen hinaus zu betrachten. Das hat uns dazu angeregt, die tiefergehenden Veränderungen zu untersuchen, die unsere Initiativen bewirken, und unerwartete Ergebnisse zu berücksichtigen.
Welche spezifischen Erkenntnisse haben dich dazu veranlasst, von Vorbehalten zur Begeisterung für Wirkungsorientierung und Monitoring zu wechseln?
Ehrlich gesagt, hatte ich anfängliche Zweifel an den erforderlichen Ressourcen und der Zeit. Aber in der Zusammenarbeit mit lokalen Projektpartner*innen zur Entwicklung maßgeschneiderter Wirkungsmodelle haben wir die Kraft von datengestützten Erkenntnissen in der Programmgestaltung erlebt. Wir begannen mit Design-Thinking-Workshops, bei denen Zielgruppen in die Entwicklung lokaler Projektideen einbezogen wurden. Menschen mit Behinderungen und Ehrenamtliche nahmen an der Gestaltung und Erprobung lokaler Wirkungsmodelle und -instrumente teil.
„In der Zusammenarbeit mit lokalen Projektpartner*innen zur Entwicklung maßgeschneiderter Wirkungsmodelle haben wir die Kraft datengestützter Erkenntnisse erlebt.“
Dadurch haben wir uns von der Intuition und erfahrungsbasierten Entscheidungsfindung entfernt. Wirkungsorientirung und Monitoring brachten eine neue Dimension hervor, die greifbare Entwicklungen und Ergebnisse aufzeigten, die sonst möglicherweise übersehen worden wären. Außerdem half uns die Aussicht auf klare, datenbasierte Zahlen bei der Projektsteuerung und -berichterstattung.
Wie haben digitale Werkzeuge deine wirkungsorientierte Arbeit im Projekt vereinfacht?
Jedes Teilprojekt erzeugte eine Fülle von Daten aus zahlreichen einzelnen Indikatoren, und das Verwalten dieser Daten in Excel-Tabellen wurde mühsam. Ich wollte eine systematische Methode zur Verwaltung und Analyse dieser Daten finden und habe sogar mit der Programmierung in R experimentiert. Aber ich war erleichtert zu entdecken, dass es spezielle Werkzeuge gab, die den Bedürfnissen des Projekts entsprechen. Diese haben mir geholfen, die Datenüberwachung, -sammlung und -analyse zu strukturieren und zu automatisieren, und Dashboards boten sofortige Einblicke und verbesserten die Kommunikation mit den Stakeholdern.
„Jedes Teilprojekt erzeugte eine Fülle von Daten aus zahlreichen einzelnen Indikatoren, und das Verwalten dieser Daten in Excel-Tabellen wurde mühsam.“
Welche spezifischen Funktionen digitaler Werkzeuge waren für deine Wirkungsorientierung und dein Monitoring am vorteilhaftesten?
Die Möglichkeit, Daten aus verschiedenen Projekten zu aggregieren, war am wertvollsten. Ich kann Daten aus verschiedenen Teilprojekten zusammenführen und automatische Analysen durchführen, was Zeit und Mühe spart. Aber der größte Vorteil kommt durch das Dashboard, das es mir ermöglicht, Daten entsprechend meinen Bedürfnissen zu visualisieren und Erkenntnisse mit Projektpartner*innen zu teilen.
Sie bieten uns einen Überblick über wichtige Indikatoren, wie die Anzahl der erreichten Personen, Verbesserungen der digitalen Fähigkeiten und die Auswirkungen digitaler Technologien auf ihren Alltag. Wir triangulieren Umfragedaten mit Bewertungen unserer Vor-Ort-Expert*innen, um Kontext zu bieten und sicherzustellen, dass die Daten eine umfassende Geschichte erzählen. Diese Erkenntnisse sind unschätzbar, um unsere Arbeit öffentlich zu rechtfertigen und zu fördern, und für wichtige Gespräche mit Fördermittelgebenden.
Was waren einige der größten Herausforderungen bei der Implementierung der Wirkungsorientierung, und wie hast du sie gemeistert?
Als Pilotprojekt standen wir vor der Herausforderung, in unbekanntem Terrain ohne etablierte Indikatoren zu arbeiten. Wirkungsorientierung ist ein iterativer Prozess, und wir passen unsere Modelle und Instrumente kontinuierlich basierend auf neuen Erkenntnissen an. Die größte Herausforderung war, die Komplexität zu reduzieren, ohne wesentliche Einblicke zu verlieren. Die Einbeziehung von Fachkräften und Ehrenamtlichen in die Entwicklung von Wirkungsinstrumenten war entscheidend, obwohl dies zu einem komplexen System geführt hat, das wir noch weiter verfeinern.
Welche aufkommenden Trends oder Herausforderungen siehst du in der Wirkungs-orientierung, insbesondere im deutschen Sozialsektor? Wie können Organisationen den aktuellen Entwicklungen voraus sein?
Es ist entscheidend, die Wirkungsorientierung praktisch und handhabbar zu gestalten. Wir benötigen Werkzeugkästen mit Indikatoren und Messinstrumenten, die auf den Sektor zugeschnitten sind und in Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft entwickelt werden. Verbände wie das Deutsche Rote Kreuz etablieren Kompetenzzentren und zeigen Eingenverantwortlichkeit für die Entwicklung ihrer Wirkungsorientierung.
Darüber hinaus erfordert die Einführung der Wirkungsorientierung oft Flexibilität in Projektstrukturen und -zielen, was schwer zu akzeptieren sein kann. Aber durch die Annahme dieses Ansatzes können Organisationen sich von der output-orientierten Denkweise lösen. Sie können fundiertere, datengestützte Entscheidungen treffen, die mit ihren langfristigen strategischen Zielen übereinstimmen, und letztlich die Effektivität lokaler Entwicklungsinitiativen verbessern.
„Wirkungsorientierung erfordert sorgfältige Planung und Zeitinvestition. Denke von Anfang an an Wirkungskommunikation und -strategie.“
Und schließlich, welchen Rat würdest du Projektleiter*innen geben, die zögern, Wirkungsorientierung und Monitoring zu übernehmen, insbesondere im sozialen Sektor in Deutschland?
Wirkungsorientierung erfordert sorgfältige Planung und Zeitinvestition. Es ist herausfordernd, aber entscheidend, einfache und bedeutungsvolle Indikatoren zu entwickeln. Konzentriere dich auf das Wesentliche, lasse Erwartungen los und erinnere dich daran, dass es sich um ein Monitoringsystem und nicht um wissenschaftliche Forschung handelt. Denke von Anfang an an Wirkungskommunikation und -strategie, und nutze bestehende Dokumentations- und Qualitätsmanagementsysteme für relevante Messungen. Schließlich korreliere verschiedene Datenquellen für tiefere Einblicke und erwäge digitale Werkzeuge wie TolaData, um die Datenerhebung und -verwaltung zu optimieren.
Für weitere Informationen zum DigiTeilhabe-Projekt und zur Arbeit der AWO besuchen Sie die Projektseite unten. Wir danken Matthias und der AWO für die Zeit und Erfahrungen, die sie mit uns geteilt haben, und freuen uns darauf, das Wachstum des Projekts zu verfolgen.